Das Ende der Echo-Chamber? – Facebook Studie!

Ey, so viele neue Sachen: Circles, Places, Timelines, Doublesheep und Anchorhowle… manchmal komme ich mir einfach nur noch alt vor und – und Manches verstehe ich nicht – mehr.

Bitte sagen Sie jetzt nicht: „Geht mir auch (manchmal) so“. Denn dann würden Sie die „Echo-Chamber“ Theorie stützen. Die sagt (verkürzt): durch das Internet und besonders die Social Networks kriegen wir nur noch Sachen mit, die unsere eigenen Überzeugungen stützen und festigen. Also: Onlinespieler kriegen nur noch Spiele mit, Künstler nur noch Kunstinfos, Neonazis nur noch Rechtsradikalitäten und Social-Media-Experten nur noch Unsinn; Spässle, Sie wissen was ich meine. Depp bleibt Depp. Fachausdruck: Echo-Chamber.

John Salesman - in da Box!Obwohl ich diese Echo-Chamber im richtigen Leben durchaus erkennen kann, konnte die Existenz der Echo-Chamber bislang nicht wirklich bewiesen bzw. widerlegt werden. Bis jetzt: denn Facebook hat eine Studie durchgeführt die höchst interessante Ergebnisse bringt. Fakten und meine Interpretation – in a nutshell:

Die Studie: Rethinking Information Diversity in Networks

Eytan Bakshy, Facebook Data Team, hat 253 Millionen User und 75 Millionen geteilte Links untersucht, etwa 1,2 Milliarden „Vorfälle“.

Das Experiment: Links teilen

Wenn jemand einen Link teilt, dann entscheidet der EdgeRank-Algorithmus von Facebook, wer vom Freundeskreis den Link sieht. Einige der Links, die bei den Freunden lt. EdgeRank angezeigt werden sollten, wurden für die Studie unterdrückt. Wenn einer der Freunde den gleichen Link selber geteilt hat, dann ist klar: genau diesen Link hätte er auch von Facebook bekommen. Hat er diesen Link nicht gepostet, dann ist klar: diesen bestimmten Link hätte er nur durch Facebook sehen können.

Das bedeutet: es gibt Information die hätte ich auch ohne Facebook bekommen und es gibt Information die ich nur durch Facebook (meine Freunde) gesehen.

Definitionen:

  • Edgerank = Facebook-Algorithmus, der festlegt, was angezeigt wird – und was nicht.
  • Echo-Chamber = Ihr Informations-Horizont.
  • Novel-Information = Information die durch das Netzwerk wandert und auf Menschen trifft, die diese Information sonst nicht gesehen hätten.
  • Strong ties = Facebook-Freunde mit denen man wenigstens einmal interagiert hat (Definition Facebook Studie).
  • Weak ties = Facebook-Freunde mit denen man außer der Freundesbestätigung keine Interaktion hatte.

Die Ergebnisse:

Je näher wir einander (strong ties) sind, desto mehr tauschen wir die gleiche Information aus. Auf Deutsch: da kommt nur das, was Sie wahrscheinlich auch ohne Facebook hätten wissen können. Von den schwachen Verbindungen kommt häufig Information, die Sie wahrscheinlich sonst nicht mitbekommen hätten. Die Erkenntnis ist eigentlich nicht so überraschend, wichtig ist aber, dass die wichtigen, den Horizont erweiternden Infos auch, vielleicht sogar eher von den schwachen Verbindungen kommen.

Meine Meinung und Interpretation zu dem Ding:

John Salesman - Im Informationsnetz

  • Ich bin auf die Studie auf der iPhone-App Flipboard via Futurelab, postet on Twitter und slate.com gekommen. (Dort wurde ein Artikel über die Studie veröffentlicht und hat mich neugierig gemacht). Also ein Super-Weak-Tie. Stimmt. In meinem Facebook-Stream ist davon aber noch nichts aufgetaucht. Also: neuer Sound in meiner (Internet) Echo-Chamber.
  • Es macht also Sinn, die schwachen Verbindungen aufrecht zu halten. Leute, akzeptiert Einladungen, von dort kommen die neuen Sachen.
  • Facebooken und Twittern macht nicht dumm, sondern bringt einen mit Information in Kontakt auf die man sonst nie gekommen wäre. Die Echo-Chamber-Theorie ist also ein gutes Stück weit widerlegt.
  • Seien Sie sich im Klaren darüber, dass Sie permanent Teil von Studien und Marktforschungen sind. Man zeigt Ihnen Links, oder auch nicht, wie es Facebook gerade gefällt und nützlich ist. Das lässt mich frieren.
  • Den Algorithmen kommt eine große Bedeutung zu. Wenn der EdgeRank nur noch Informationen von den „strong ties“ durchlässt werden wir Kleingeister. Das bedeutet für mich – unbedingt weitere Quellen als Facebook nutzen.

Wäre da nicht der Zeitpunkt, also kurz vor dem Börsengang von Facebook… Genau jetzt beweist Facebook, dass Facebook erleuchtend ist. Ich würde diese Erkenntnisse alle so gerne glauben wenn da nicht Goldman Sachs und so weiter… Wie geht es Ihnen?

Fragt sich, die strong- und weakties grüßend, Ihr

Hermann Hohenberger

Links: The End of the Echo Chamber

Studie: Rethinking Information Diversity in Networks

 

2 Kommentare zu „Das Ende der Echo-Chamber? – Facebook Studie!“

  1. Und früher hat man über das TV als ‚einseitige Informationsquelle‘ gesprochen. Ich schaue relativ viel fern, allerdings oft 3te um Informationen zu bekommen. Hier scheint die Chamber noch sehr durchsichtig gewesen zu sein.

    Danke für den Artikel. Habe mal wieder etwas gelernt.

  2. Es ist ein interessanter Gedanke, dass das was uns mit unseren Freunden verbindet auch ohne Facebook und Co geteilt werden würde. Ich weiß nicht ob das so wirklich stimmt, da man oft Freunde hat, die auch echte Freunde sind aber die weit weg sind oder die man einfach selten sieht. Es gibt dann nur den Weg über Facebook und die Suppe bleibt gleich.

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